Saturday, 24 April 2010

Vulva Fears: Pussy Envy

Exceptionally, a German text - on Valerie Solana's SCUM manifesto. Or just bypass that and go to her own text - here's an online version (with many mistakes in it):
http://gos.sbc.edu/s/solanas.html



(I don't want to talk to myself. I am talking to myself.)

Valerie Solanas S.C.U.M. Manifesto wird gerne als Randnotiz in Sonderausstellungen von feministischer Kunst/„weiblicher“ Kunst erwähnt: z.B. in der Pariser „Frauenausstellung“ elles@centrepompidou, die zeigt, wie gut Frauen darin sind, sich durch's Malen, Zeichnen, Stricken, Häkeln, Basteln, Modellieren, Schreiben, Töpfern, Skulpturieren, Photographieren, Plastizieren, Praktizieren, Aktionieren, Minimalieren, (Ideen-)Gebären und Radieren als große Künstlerinnnenpersönlichkeitinnen zu verwirklichen - sprich, wie allseitig und vielfältig kreativ sie sind; wir sehen, dass sich auch bei ihnen die geduldige Arbeit in der Privatsphäre der rooms of their own auszahlen kann. Im Rahmen solcher Ausstellungen, aber eben auch in der Öffentlichkeit allgemein, wird Solanas wegen des Manifests und ihres Attentats auf Andy Warhol – die beide keinen „Sinn“ zu machen scheinen – als Vertreterin eines scheinbar völlig abstrusen separatistischen Feminismus' gezeigt. Durch diese Kategorisierung wird sie einerseits annehmbar gemacht, andererseits aber als zu unsinnig, nieder, gewalttätig eingeordnet, um überhaupt eine ernsthafte Auseinandersetzung nötig zu machen. Ob sie als Individualterroristin betrachtet wird oder als besonders hysterisches Element einer hysterischen Feminismusbewegung – in beiden Fällen wird sie so in einen weggeschlossenen Kellerraum der gesellschaftlichen Einheit verbannt. Gerade diese Verbannung macht es möglich, ihre Kritik zu entschärfen: Jemand, die sich gegenüber Warhol in der Tat als gefährlich zeigte, kann letztendlich als Kriminelle/Verrückte eingestuft werden, so dass es nicht mehr nötig ist, die Gefährlichkeit ihrer im S.C.U.M. Manifesto dargelegten Ideen im Wort ernsthaft zu rezipieren.
Natürlich ist es richtig, dass ein Manifest, das in späteren Ausgaben den Untertitel Society for Cutting Up Men für S.C.U.M. hinzugefügt bekam, möglicherweise (!) nicht in dem Sinn ernst genommen werden muss, als dass jedes Wort als wörtlich zu nehmende Handlungsanweisung gelten müsste (aber vielleicht doch). Aus Solanas Manifest werden immer wieder die gleichen Schnipsel zitiert, z.B.: “the Y (male) gene is an incomplete X (female) gene, that is, it has an incomplete set of chromosomes.” Solche Zitate dienen gerne der Belustigung eines Kunstpublikums. Doch allein dieser Satz deutet die satirische Klarsichtigkeit des Textes beispielsweise bezüglich gängiger biologistischer Erklärungen menschlichen Verhaltens an; ein weiteres Beispiel für solche Klarsichtigkeit ist die rhetorische Umkehrung Freuds Formulierung des Penisneids: “Women, in other words, don't have penis envy; men have pussy envy.” Warum wird von einer doch noch patriarchalischen (?) Öffentlichkeit Solanas Text als verrückt abgestempelt, während Freuds Texte als der profunden akademischen Erkenntnis dienend studiert werden (wobei man sich kaum traut, das Wort patriarchalisch zu benützen, ohne selbst als in den 60ern Zurückgebliebene eingeordnet zu werden (als hätte ich damals schon gelebt!))? Im weiteren Verlauf vollzieht Solanas eine Kritik des bürgerlichen (Beziehungs-)Lebens, das zwischen scharfer anarchistischer Analyse auf der einen Seite und gewalttätigen Lösungsvorschlägen auf der anderen Seite oszilliert. Insbesondere aufgrund des Attentats von Solanas auf Andy Warhol stellt sich dabei ständig die Frage, inwieweit bestimmte Stellen des Textes eine verzerrte Satire oder eine tatsächliche Handlungsforderung darstellen sollen, ein Gedanke, der natürlich Angst machen könnte; diese Instabilität, dieser Umgang mit dem Genre „Manifest“ macht den Text weiterhin gefährlich und macht es nötig, ihn komplett zu lesen – als herausfordernde Kritik der bürgerlichen Gesellschaft in den 60er Jahren und heute.

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